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Kalte Duschen, Körperscanner und Katastrophen

Tipps zur Achtsamkeit gaben Experten beim Talk des Beruflichen Trainingszentrums in Wiesloch.

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Kalte Duschen, Körperscanner und Katastrophen

„Ich schlafe öfters bei der Arbeit ein.“ Prof. Siegmund Wuchner hatte kein Problem damit, seine kleinen Nickerchen im vollen Hörsaal zuzugeben. „Das hält fit! Noch in den 80ern haben sie uns erzählt, wir dürften keine Zeit verlieren. Wir haben Methoden gelernt, wie wir effektiv arbeiten, sogar während wir ins Flugzeug einsteigen. So ein Schmarrn!“, brummte der Geschäftsführer eines Stuttgarter Ingenieurbüros.

Der Saal lachte. Offensichtlich sprach Wuchner dem Publikum des BTZ Talks aus der Seele. In einer schnelllebigen Welt steigt der Bedarf, zur Ruhe zu kommen. „Achtsamkeit“ ist ein populäres Stichwort. Ganz im Hier und Jetzt zu sein, mit Übungen und Meditation. Dieses Konzept entdecken immer mehr Unternehmen für sich.  

Doch wie wird aus einem Trend für gestresste Führungskräfte eine sinnvolle Ergänzung im Alltag? Das diskutierten Experten am 10. Juli beim Talk des Beruflichen Trainingszentrums (BTZ) der SRH in Wiesloch. Zur zehnten Ausgabe des Talks in der MLP Corporate University hatten die Moderatoren Barbara Amann und Benedikt Mazharul Experten aus Wirtschaft, Arbeitsmedizin und Rehabilitation eingeladen. BTZ-Teilnehmer steuerten ihre Erfahrungen bei.

„Darum geht es: Den Erfahrungen im Hier und Jetzt offen zu begegnen“, erklärte Florian Jerabek. Der Psychologe des BTZ München demonstrierte in einem Impulsvortrag mit dem „Bodyscan“, wie Achtsamkeit funktioniert. „Schließen Sie die Augen, setzen Sie sich bequem hin. Und jetzt spüren Sie in Ihre Zehen. Wie fühlen sie sich an, was nehmen Sie wahr?“ Von dort ging es durch den ganzen Körper, immer mit Konzentration auf einzelne Körperteile. Sieben Minuten dauerte die Übung. Anschließend blickte Jerabek in viele entspannte Gesichter.

„Achtsamkeit reduziert Stress und steigert die Konzentration, das ist mittlerweile gut erforscht. Und das bestätigen unsere BTZ-Teilnehmer“, sagte Jerabek. Im BTZ trainieren Menschen ihre Fähigkeiten, um nach psychischen Erkrankungen wieder in den Beruf einzusteigen.

Welche Erfahrungen sie mit Achtsamkeit gemacht haben, schilderten die Gäste auf dem Podium. Für Prof. Wuchner ist es sein Sportprogramm am Morgen mit anschließender Dusche, „zum Schluss immer kalt!“ Und eben die kleinen Nickerchen während der Arbeit.

So etwas war für Bertram Spiegel (Name geändert) undenkbar. Der Arzt ackerte in einer Firma für Medizin-Software. Bis zur totalen Erschöpfung. „Endlich Wochenende, da kann man mal in Ruhe arbeiten! Das war unser Motto. Doch irgendwann konnte ich nicht mehr.“ Im BTZ München hat er gelernt, auf sich zu achten. Und dass er seinem alten Beruf den Rücken kehren muss. Heute ist er Teamleiter in einer Autovermietung und es geht ihm gut. „Macht einfach!“, gibt er anderen BTZ-Teilnehmern mit. „Es ist nie zu spät, etwas zu ändern, außer man glaubt es.“

Das bestätigte Martina Manz (Name geändert) aus ihrer Zeit im BTZ. Jahrelang überforderte sie sich selbst, hatte drei Jobs gleichzeitig. „Ich habe mir bewusste Pausen als Ritual in den Alltag eingebaut. Und ich habe gelernt, Nein zu sagen.“

Martina Zeitler-Decker, vom Rehaberatungsdienst der Deutschen Rentenversicherung, ging noch einen Schritt weiter: „Achtsamkeit heißt, egoistisch zu sein. Erst wenn es mir gut geht, kann ich mich den Bedürfnissen anderer gut widmen. Am Wochenende bin ich etwa wenig online und setze bewusst immer wieder Prioritäten.“

Für die Ärztin Dr. Katja Zugenmaier hängt in Unternehmen Achtsamkeit stark von den Führungskräften ab: „Die Geschäftsführung muss ihre Mitarbeiter zur Achtsamkeit motivieren, sie bei ihren Bedürfnissen abholen“, sagte die Chefin des Arbeitsmedizinischen Zentrums in Karlsruhe. „In einem Pflegeheim haben wir die Mitarbeiter für eine Rückenschule motiviert, indem wir zuerst eine Massage angeboten haben.“

„Wir wissen, was uns guttut. Werden Sie Ihr eigener Achtsamkeitsexperte!“, riet Florian Jerabek zum Abschluss. Dafür hatte jeder Besucher bei diesem Talk sicher genügend Beispiele bekommen. Und sei es ein Nickerchen zwischendurch.