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Wiedereingliederung: Zurück in die Arbeit | Ein Bericht von Anna-Lena Gröner (Netzwerk Südbaden)

Psychische Krankheiten sind auf dem Vormarsch. Bei den Erhebungen der deutschen Krankenkassen stehen die psychischen Erkrankungen auf Platz zwei, hinter Rückenbeschwerden. Eine Entwicklung, auf die sich der Arbeitsmarkt einstellt. Das berufliche Trainingszentrum (BTZ) in Freiburg hilft.

Kalendereintrag
Wiedereingliederung: Zurück in die Arbeit

Die Farbe Orange sticht ins Auge, wenn man die Räume des Trainingszentrums in der Sundgauallee in Freiburg betritt. Das Logo, die Rückenlehnen der Bürostühle und kleine orangene Akzente ziehen sich durch die großzügige Etage. In der Farbtherapie steht Orange für Lebenslust und Freude, sie soll Kreativität und Denkprozesse anregen. Alles Dinge, die Menschen mit einer psychischen Erkrankung gut gebrauchen können.Jonas Jochum ist Standortleiter des BTZ in Freiburg, das 2012 eröffnete. Insgesamt neun Einrichtungen gibt es deutschlandweit.

Vor 41 Jahren wurde das erste Trainingszentrum als Modellprojekt in Wiesloch von der Stiftung Rehabilitation Heidelberg (SRH) und der Stadt Wiesloch gegründet, bis heute sind die beiden Gesellschafter des gemeinnützigen Unternehmens.

Wer aufgrund einer psychischen Erkrankung vorübergehend arbeitsunfähig ist, dessen Weg führt häufig zum BTZ. „Der erste Zugangsweg ist immer, dass die Menschen einen Antrag auf ‚Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben‘ – kurz LTA – stellen müssen“, sagt Jochum. Häufig sind es die Sozialdienste in den Kliniken oder die niedergelassenen Ärzte und Therapeuten, die den Erstkontakt zum Trainingszentrum herstellen. Im späteren Verlauf auch die Reha-Fachberatungsstelle der Agentur für Arbeit oder die Deutsche Rentenversicherung. Beide tragen auch die Kosten für die BTZ-Angebote, im seltenen Fall würden diese von einer Berufsgenossenschaft übernommen werden, so Jochum.

Das Ziel des BTZ: die Reintegration von Menschen mit psychischen Erkrankungen in den Arbeitsmarkt. Es hilft Betroffenen durch fachliche Schulungen und individuelle Coachings dabei, wie sie künftig mit sich und den Arbeitsanforderungen gut umgehen können, beispielsweise mit erlebtem Stress oder Erwartungen. Wie sie ihrer Tätigkeit gut und zufrieden nachgehen können und dabei gesund bleiben. „Neudeutsch gesagt, wie der betroffenen Person eine gute Work-Life-Balance gelingt“, sagt Jonas Jochum.

Neue Perspektiven
Das Trainingszentrum knüpft mit seinen Angeboten immer an den Reha-Aufenthalt oder an eine Behandlung an. Dabei bauen Jochum und seine sechs Kollegen, insgesamt vier berufliche Trainer und drei psychologische Mitarbeiter, auf die vorhandenen Kenntnisse und Qualifikationen der Teilnehmer auf. Je nach Angebot und Intensität des Programms, dauert es zwischen drei und 12 Monaten. Im ersten Schritt wird geklärt, welche Ziele Teilnehmer haben und welchen Unterstützungsbedarf es gibt.

Jochum führt durch die Etage, zeigt die Werkstatt, in der Techniken und Fertigkeiten für Handwerksberufe gelernt werden.
Er öffnet die Türe zum hellen Großraumbüro, in dem jeder Teilnehmer seinen Schreibtisch hat, um von dort aus Bewerbungen zu schreiben oder eigene Recherchen zu tätigen. Er zeigt den Schulungsraum, in dem unter anderem EDV, Business-Englisch, Deutsch und Mathematik unterrichtet werden sowie weitere kleinere Räume für individuelle Gespräche oder Entspannungsübungen.

Beim intensiven 12-monatigen Training arbeiten jeweils zwei BTZ-Mitarbeiter mit einem Teilnehmer zusammen. Das sind Mitarbeiter vom Psychosozialen Dienst, also Psychologen oder Sozialpädagogen, und die beruflichen Trainer aus unterschiedlichen Branchen und Fachbereichen. Sobald das Inhouse-Training abgeschlossen ist, geht es vorsichtig raus in die Arbeitswelt. „Ein ganz wichtiger Baustein sind die Praktika“, sagt der Standortleiter. „Diese werden von uns begleitet und wir sind durchgängig im engen Austausch mit den Arbeitgebern.“ Nur so stelle sich heraus, ob die erarbeitete Perspektive passt, und die Praktikanten können sich langsam wieder an gewohnte und neue Aufgaben herantasten.

Primär geht es bei der Arbeit des BTZ um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. „Es gibt auch Ersteingliederungen, aber die allermeisten Menschen, die bei uns sind, haben bereits umfangreiche Berufserfahrungen und häufig hohe Qualifikationen und Abschlüsse.“ Wie lange die Betroffenen zuvor aufgrund ihrer psychischen Erkrankung aus dem Arbeitsleben raus waren, sei völlig unterschiedlich, sagt Jochum. Bei manchen ginge es „schnell“ und sie kämen nach ein bis
zwei Jahren zurück, bei anderen könne es mehrere Jahre dauern. Eine Zeitspanne, in der sich gerade in Zeiten der Digitalisierung
viel auf dem Arbeitsmarkt verändert. Hier wieder den Anschluss zu bekommen, dabei unterstützt das berufliche Trainingszentrum.

Integration Plus
Zwei Drittel der BTZ-Absolventen würden den Weg zurück in die Arbeit finden, sagt Jonas Jochum. Auch die Rückkehr in Vollzeit st möglich. „Wir haben ein sehr breitgefächertes Trainingsangebot. Das jüngste nennt sich ‚Integration Plus‘. Das Angebot wurde zusammen mit der Deutschen Rentenversicherung entwickelt und richtet sich explizit an diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben und nach einer Rehabilitation wieder dorthin zurückkehren wollen.“
Um das zu ermöglichen, gehen Job-Coaches in die Unternehmen. Das Angebot wird direkt am Arbeitsplatz, in Abstimmung mit dem Arbeitgeber, durchgeführt. Das ganze Arbeitsumfeld wird bei der „Integration Plus“ miteinbezogen. Das erfordere Offenheit von beiden Seiten und Mut von den Betroffenen. „Wir merken, dass das Thema Stigmatisierung noch immer eine große Rolle spielt. Aber wir merken auch deutlich, dass bei Arbeitgebern gerade sehr viel passiert. Es findet ein Umdenken statt und die Wahrnehmung für das Thema verändert sich.“

25 bis 30 Plätze bietet das BTZ in Freiburg, dabei sei das Geschlechterverhältnis recht ausgeglichen. „Was wir noch nicht merken, sind diejenigen, die durch die Pandemie in die Krise gerutscht sind. Ich denke, da sind viele Menschen entweder noch in Behandlung oder Reha-Anträge konnten pandemiebedingt nicht so schnell bearbeitet werden und die Menschen warten dementsprechend länger auf eine Behandlung. Hier stellen wir uns darauf ein, dass der Bedarf höher sein wird“, sagt Jochum.

(Text von Anna-Lena Gröner | Copyright by: netzwerk südbaden)